Ort Berxen
Die ehemals selbstständige Gemeinde Berxen,
bestehend aus den Ortsteilen Bruchhöfen, Berxen und
Nenndorf umfaßt eine Fläche von ca. 815 ha und
erstreckt sich quer über den Geestrücken von Ost
nach West in einer Länge von ca. 6,5 km und von Nord
nach Süd (etwa entlang der Bahnlinie) in einer Breite
von nur ca. 1,5 km.
Der Name Berxen wird erstmals 1375 urkundlich
erwähnt, doch dürfte der Ort weit älter sein; denn das
damals benachbarte Kloster Heiligenberg hatte hier
von Anfang an seinen "Zehnten". Über die Herkunft
des Namens Berxen liegen keine genauen Angaben
vor. Er wandelte sich von Bederichsen, Bederkissen,
Berichsen über Brexen zu dem heutigen Berxen.
Der Ortsteil Bruchhöfen, was ja nichts anderes als
"Höfe im Bruch" bedeutet, grenzt unmittelbar an das
Moorgebiet der Weserniederung und die meisten
Häuser stehen entlang der jetzigen Kreisstraße K 129,
die von Bruchhausen-Vilsen nach Süstedt/Uenzen
führt.
Um die Jahrhundertwende wurde von den dortigen
Grundbesitzern noch eifrig Torf gestochen, der auf der
um 1900 erbauten Kleinbahn auch in die weitere
Umgebung befördert wurde.
Als das Torfstechen mit den Jahren unrentabel wurde,
war die Landwirtschaft der ausschließliche
Erwerbszweig.
Das Denkmal für die Opfer der beiden Weltkriege ist
der Mittelpunkt des Ortsteiles Bruchhöfen und wurde
in den Jahren 1920 - 1922 auf den ehemaligen
"Ratenkuhlen" erstellt.
Annähernd 3 300 Fuder Sand und Füllboden (auf
damaligen Ackerwagen) und eine beispiellose
Opferbereitschaft in Form von Eigenleistungen und
Geldspenden aus allen Schichten der Gemeinde
Berxen waren erforderlich, um diese zu Anfang schöne
und würdige Gedenkstätte, die in der ganzen
Umgebung seinesgleichen sucht zu erstellen.
Nach der Flurbereinigung mußte der Teich wieder mit
Erde gefüllt werden, weil die Gräben tiefer wurden und
der Teich keinen Zulauf mehr hatte. 1992 wurde das
Denkmal mit Hilfe des Schützenvereins neu gestaltet.
Vom Denkmal zum Moor hin erstreckt sich eine
Häuserreihe, genannt der "Specken", womit man
früher leicht gebaute Brücken und Stege bezeichnete.
Geschichtlich ist überliefert, dass im 17. Jahrhundert
einigen ausgedienten Soldaten die Westernheide
(zwischen Nenndorf und der B 6) als Siedlungsgebiet
zugestellt wurde; da es dort jedoch an Wasser
mangelte, zogen sie eigenmächtig in das
tiefergelegene "Specken" um.
Bei Bohrungen nach Trinkwasser durch die
Harzwasserwerke in diesem Bruchgebiet stieß man
auf brauchbares Wasser, das vom Wasserverband
"Syker Vorgeest" gefördert werden soll.
Um eine grundwasserschonende Bewirtschaftung zu
gewährleisten, kaufte der Wasserverband bislang ca.
200 ha landwirtschaftliche Fläche zwischen Uenzen
und Bruchhausen-Vilsen.
Nach derzeitlichen Erkenntnissen sollen aus diesem
Gebiet jährlich 7 Millionen m3 Wasser gefördert
werden.
Die ehemalige Schule in Berxen, in der Gemarkung
"Mehsbruch" erbaut, gehörte räumlich noch zum
Ortsteil Bruchhöfen, erstmals 1724 geschichtlich
erwähnt, wurde vor dem 1. Weltkrieg schon erneuert
und in den 60er Jahren im Rahmen der allgemeinen
Schulreformen aufgelöst.
Der Ortsteil Berxen erstreckt sich im Westlichen
entlang der Bahnlinie, bestand ursprünglich aus viel
Wald und einigen recht alten Bauernhöfen.
In den Jahren von 1952 bis 1965 entstanden hier aber
noch zwei kleinere Siedlungen.
Der Bahnhof Berxen mit Gastwirtschaft wurde nach
Einstellung des Personenverkehrs auf der Bahnlinie in
den 60er Jahren abgerissen. Der Ortsteil Nenndorf ist
jüngeren Datums und bedeutet "Neet Dörp" – Neues
Dorf. Der Name wird jedoch schon um 1300 zuerst
genannt und es ist überliefert, dass im Jahre 1518 ein
Arnold von Horn dem Kloster Heiligenberg seinen Hof
verpfändet hat.Im Ortsteil Nenndorf ist noch das
ehemalige Sanatorium für Diät- und Nierenkranke
erwähnenswert. Es wurde 1906 auf dem ehemaligen
Behren'schen Gutshof erbaut von einem Dr. Elsasser.
Später übernahm es ein Dr. Schwinge, der jedoch 1932
während der Wirtschaftskrise an die jetzige Familie
Siemers verkaufen mußte. Seitdem dienen Gebäude
und Ländereien landwirtschaftlichen Zwecken.
In dem dazugehörigen Waldbestand ist von den
damaligen Parkanlagen nichts mehr zu sehen als nur
noch die Reste der Karpfenteiche gegenüber des
jetzigen Schützenplatzes.
Im ersten Weltkrieg diente das Sanatoriumsgebäude
als Gefangenenlager für russische Offiziere, von denen
einem Teil bei einem heftigen Gewitter durch einen
vorher insgeheim unterirdisch gebuddelten
Kriechgang von ca. 50 m Länge die Flucht ins Freie
gelang (siehe weiter unten).
Von der Gesellschaftsstruktur her war Berxen von
jeher ein Bauerndorf, das ist heute nicht mehr so. Wie
überall in den Dörfern ist auch hier ein Strukturwandel
eingetreten, bei dem viele landwirtschaftliche Betriebe
aufgegeben haben.
Verkehrsmäßig wird Berxen von drei
Hauptverkehrsstraßen durchzogen, die alle in Nord-
Südrichtung verlaufen. Die Bundesstraße 6 zwischen
Bremen und Hannover, die Landesstraße 332 die von
der B 6 über Nenndorf zum Bahnhof Bruchhausen-
Vilsen führt, und die Kreisstraße 129 die durch
Bruchhöfen führt.
Zur Zeit wird an der Landesstraße 332 ein Fahrradweg
gebaut, dann führen an allen drei Durchgangsstraßen
Radwege entlang, so daß die Nachbarorte sicher mit
dem Fahrrad erreicht werden können.
Gefangene auf der Flucht
Ende Mai 1916 von Berxen in Richtung Freiheit
Im Jahre 1916 waren im Sanatorium des Sanitätsrats
Dr. Elsässer in Berxen russische Offiziere
untergebracht, die an der Ostfront in Gefangenschaft
geraten waren.
Am 26. Mai kehrten deutsche Wachmänner, die sich in
einer Gaststätte vergnügt hatten, gegen 1.00 Uhr
nachts ins Lager zurück. Sie stellten fest, daß 26
Offiziere, darunter ein Oberst und ein
Offiziersbursche, geflohen waren.
Zunächst forschte man nach dem Fluchtweg und fand
ein Loch, dass in den Fußboden eines Zimmers gesägt
worden war. Von dort führte ein 50 m langer
unterirdischerGang unter die Fundamente und unter
die Terasse bis hinter den ersten Zaun.
Mit einer Drahtschere hatten die Flüchtenden einen
zweiten Zaun durchgeschnitten. Der Gang mündete in
einem Buschwerk, neben dem sich Kleidung, Geräte,
Lebensmittel und sogar Landkarten befanden, woraus
man schloß, dass ursprünglich eine größere Gruppe
hatte ausbrechen sollen.
Wachen und Freiwillige Feuerwehr nahmen die
Verfolgung auf. Noch im Gebüsch des Lagers wurden
die ersten Flüchtigen gefaßt. Zwei Soldaten, die auf
Urlaub weilten, faßten sieben Mann.
Als Fluchtziel kristallisierten sich bald die Niederlande
heraus, da in Ellinhausen schon in den ersten beiden
Nächten sechs Männer verhaftet wurden und der
Gendarm Warelmann in Goldenstedt an zwei Tagen
vier weitere (Oberst, Oberstleutnant, Leutnant,
Fliegerleutnant) erwischte. Zwei hatten sich unter der
Goldenen Brücke versteckt.
Die restlichen Flüchtlinge hatten andere Wege
eingeschlagen und erfreuten sich daher ihrer Freiheit
länger. Erst mehrere Tage, nachdem ein Polizist in
Bremen erfolgreich gewesen war, wurde der erwähnte
Bursche am 3. Juni verhaftet. Die beiden letzten fing
man am 5. Juni bei Osnabrück.
Da das Militär fürchtete, die Verhältnisse in Berxen
könnten zu einem erneuten Fluchtversuch verlocken,
wurden 27 Mann nach Osnabrück gebracht, wo die
Bewachung besser gewährleistet war.
Die Niederlande blieben im Krieg neutral, so dass sich
dort jeder auf sicherem Boden befand, wie seit 9.
November 1918 auch der emigrierte Deutsche Kaiser.
Deswegen ist bei allen Fluchtbewegungen aus der
Provinz Hannover der Drang nach Westen
festzustellen.
Unklar bleibt – da die zensierte Presse nicht darüber
berichtete – woher die Russen die Karten und
sonstigen Fluchtmittel bezogen hatten, wie es möglich
war, dass sie unbemerkt einen Gang gegraben und
den Aushub weggeschaft hatten. Das lässt auf
Sorglosigkeit und geringe Aufmerksamkeit der
Deutschen schließen.Die Wachen, in der Regel ältere
Männer, waren wohl nicht sonderlich motiviert für
ihren Dienst. Vielleicht hatten sie auch Verständnis für
die unglücklichen Kriegsgefangenen, ein Phänomen,
das sich gerade bei der ländlichen Bevölkerung häufig
beobachten ließ, obwohl Staat und militärische
Führung in beiden Weltkriegen dagegen anzugehen
versuchten und Teilerfolge erzielten.
WILFRIED GERKE
Aus der Kreiszeitung von 1992
© Schützenverein Berxen von 1909 e.V.